Sprüche & Zitate
Typ
Sonntag, 6. Oktober 2013, 22:46
Er schoß auf Menschen aus dem sichersten aller Hinterhalte und dann auf sich selbst. Wenn Hass entgleist, so sagten die Leute kurz danach, aber das Bild ist schief, so schief, das es droht umzufallen ...

Ich meine, dass die Welt kein gerechter Ort ist, hat der normaldenkende und normalfühlende Mensch ja schon ab einem Alter von ungefähr 13 herausgefunden. In diesem Fakt liegt danach fortan die Lebensrealität des zynischen Umgangs mit dem schlechtwerdenden Leben, das im Verwelken begriffen, nur denen Spaß zu machen scheint, die sich mittels Drogen, Verschwörungstheorien oder sonstigem Weltfremdhassscheiß vom Eigentlichen entfernen. Der Rest bleibt 13 und wird älter.

"Natürlich seh ich auch beim Spazierengehen Blumen. Natürlich gefallen sie mir. Anschließend denk ich an meine Telefonrechnung und nichts gefällt mir mehr", so höre ich die Verzweifelten sprechen und nach Sicherheit schreien. Und die gibt es im Überangebot von den Monopolisten Staat und Religion. Außerdem wird viel Zwischenspiritualität angeboten, so Dinge wie Lachtherapie oder in die Berge fahren und mit anderen Managern ein Wochenende mit Wanderschuhen verbringen, während die Zahlen im Kopf kleiner werden sollen und dann Schulterklopfen, wenns gut ging und dann Herzklopfen am Montag, weil die Scheiße einfach weitergeht. Und die Psychofeuerwehr löscht die Ausgebrannten, auch eine tolle Geschäftsidee.

Die schlimmsten Knäste sind ja die in den Köpfen, dort wird gefoltert und gemordet und Gedärme an die Wand und dergleichen plus Kopf auf und Säure rein und solcherlei schmerz- und scherzhaftes. Der eigene Kopf ist schuld an der Unbeweglichkeit des Individuellen. Und da stehen wir also jetzt und heute und um irgendeine Uhrzeit und unsere Berufe treiben uns an, in Büros und anschließend in den Wahnsinn und Medikamente halten uns stabil und ich frag mich immer wie viel Gefühl steckt noch in einer Situation wie dieser:

Kasse 1 bei Netto. Die Rothaarige kassiert. Piep. Piep. Piep. Ein kleines Brot. Eine Flasche Wasser und die kleine Packung Käse. Ein Abendessen für eine Person. Die Rothaarige fragt sich: Er kauft immer nur Nahrung für eine Person. Ist dieser Mensch jetzt einsam? Und der Einsame geht nach Hause, Brotscheiben mit Käsescheiben belegen. Internet, Fernseher, Weltfrieden. Morgen wieder Büro. Die Hände zittern.

Und in jeder psychotherapeutischen Praxis wird gefragt: Wie bekomme ich den Hochdruck aus dem Menschen? Und Stunde um Stunde vergeht und ok, er geht wieder in die Natur, Blumen gucken, anschließend denkt er an seine Telefonrechnung und will mit einem Gewehr den Rest der Umgebung kleinballern. Daher hat er sich angewöhnt, nicht so oft an seine Telefonrechnung zu denken, aber sie kommt ja jeden Monat und ok, für diesen Scheiß wird gearbeitet und für die schlechte Nahrung und die teure Versicherung und dann häng ich hier und bin bewegungslos, finanziell zumindest, könnte ja jetzt Blumen gucken gehen, aber die gibts hier nur im Blumenladen ...

Warum hat er das denn getan? All die Toten und dann sich selbst auch noch? Er war doch immer so unscheinbar ...

Ja, in seinem Abschiedsbrief stand irgendwas von Einsamkeit und dem Scheitern an der Vielzahl der Optionen ...

Verdammt, so ein Menschenleben ist ja so klein und zerbrechlich ...

Ja, verdammt und ein Kampf, ein täglicher Scheißkampf ...


Dirk Bernemann

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