Irgendeine Option ist immer Glück
Montag, 18. November 2013, 19:46
Jetzt ist die totale Gegenwart, wird immer gesagt. Das Jetzt ist das totale Jetzt und irgendwo ist Glück versteckt. Reicht aber nicht für alle, dieses Glück.
Und jetzt: Man selbst in Gegenwart des Menschen, der es sich in der Gegenwart eingerichtet hat. Die Gegenwart ist sein Apartment, welches er mittlerweile fast abbezahlt hat. Demnach gehört sie also ihm, diese Gegenwart. Besitzansprüche sind für ihn was Gutes. Sie mehren die Sicherheit. Besitz lässt ruhiger schlafen, denn manchmal denkt der Mensch an die Unsicherheit, die ihm zuweilen medial suggeriert wird. Da draußen hat es Neider mit wenig oder gar ohne Besitz. Aber die hatten doch auch die gleichen Startmöglichkeiten denkt sich der in Sicherheit lebende Mensch, die haben nur den Startschuss etwas zu spät gehört oder hatten sehr früh im Verlauf des Rennens einen Ellenbogen im Gesicht. So ein Pech aber auch. Aber es herrscht ja Gerechtigkeit im Land und so wird jedem, der unten liegt wieder aufgeholfen, der Sozialstaat reicht dir seine zitternden Hände und immer häufiger ballt er mindestens eine zur Faust.
Das, was heutzutage der Status des sich in Sicherheit wiegenden Menschen ist, hat er früher Lebensziel genannt. Ziele zu haben, war für ihn immer wichtig. Leute ohne Ziele fand er immer suspekt, genauso wie Leute ohne Arbeit oder Leute ohne Partner oder Leute ohne andere Leute um sich rum. Früher, als er noch bis oben hin mit Energie zugetankt war, Energie, die man ihm in den Augen ansah, wenn er einen Raum betrat. Irgendwie hatte der Mensch immer das Gefühl, ihn würden auf Schritt und Tritt Fanfaren begleiten. Er hat sich auch gedacht, dass sein Leben es wert wäre, von Fanfaren begleitet zu werden. Tätärätätätä, hier kommt der gute Mensch in die Bar, ins Wohnzimmer von irgendwem, um eine Sitzparty zu feiern, ins Fitnessstudio zur Maximierung eines optisch anregenden Bizeps, ins Restaurant, um zu essen, was zu essen ist und sogar am Arbeitsplatz würde ihn würdevolle Musik begleiten, wenn es denn die Aufgabe von irgendwem wäre, Menschenleben mit Musik zu beschallen. Und am Arbeitsplatz wird verdrängt. Erstens: irgendein imaginärer Konkurrent. Zweitens: Die Skepsis, dass dieser Arbeitsplatz nicht der wichtigste Arbeitsplatz der Welt ist.
Jetzt ist da aber diese Bequemlichkeit. Die Couch, ein Partner, der Kartoffelsalat. Auf dem Abstellgleis abhängen. Da kommt eine Langeweile ins Leben gedröhnt, die man früher gar nicht kannte, als man noch des Ziele haben wegens angespannt war. Und plötzlich wird ihm, dem abhängenden Menschen, bewusst, dass die Zukunft bloß die Verlängerung der Gegenwart ist, die man jetzt in seiner Selbstgefälligkeit hinzunehmen hat. Alles ist irgendwie respektabel, durchschnittlich und alltagstauglich. Jeder Gedanke, den er denkt ist durchtränkt von dieser alltagstauglichen, respektablen Durchschnittlichkeit. Und schmeckt ein wenig nach Antidepressiva und riecht nach Allzweckreiniger. Ideen und Ideale hat der Mensch angepasst. Angepasst an das was alle wollen. Beispielsweise alle zwei Jahre ein Deutschlandtrikot anziehen, als sei man selbst von irgendeinem Bundestrainer in der Kader berufen worden.
Aber in diesen stillen Momenten, wenn man in der Nacht spürt, dass man ein Heißgetränk aus dem Kaffeevollauotomaten zu viel hatte und die Gedanken deswegen rasen und man plötzlich aus dem eigenen Mittelpunkt heraus gerät und bemerkt, dass man seine Ideen und Ideale zugunsten eines Lebens aufgegeben hat, dass mehr Langeweile suggeriert als jeder handelsübliche Tatort, den man ganz innen in sich drin ja auch langweilig findet, aber nur über seine Relevanz spricht, weil die anderen es auch tun. Und sie, die anderen, die sind halt so ein Maßstab für einen selbst geworden, denn ein aus der Rolle und Reihe fallendes Ding will man ab einem bestimmten Alter ja nicht mehr sein. Und zwischendurch denkt man an Jugendträume, Abenteuer, Vollkommenheit, Weltreisen, romantische Liebe und zieht sich dann die Decke der Konformität bis zum Hals. Ist froh eine Heizung zu haben und ansonsten an nichts mehr beteiligt sein zu müssen, was irgendwie anstössig wäre.
Aber das Bewusstsein martert einen weiter. Der Mensch mit zu viel brasilianischen Ökokaffee in der Blutbahn muss sich mit seinen Gefühlen beschäftigen. Ihm wird bewusst, dass das Leben ein Buffet ist, er sich selbst aber nur ein einziges Mal den Teller vollgepackt hat. Und jetzt steht man da, da kommt so ein Hunger und es lungern ein paar Krümmel auf dem Teller und man hat noch den Geschmack im Mund, wie sich so ein Leben mal angefühlt hat, als noch alles offen war. Irgendwann hat man durch ein paar Entscheidungen ein paar Türen geschlossen, deren Geschlossenheit man sich jetzt nicht zu bedauern traut, weil man dann sein ganzes Restleben in Frage stellen würde.
Man hat das Geld verfolgt. Wie ein Irrer. Cents in Spardosen gestopft und seine Kinder instruiert, es einem gleich zu tun. Während man jetzt hier liegt, wünscht man sich zuweilen eine etwas leichtere Spardose und dafür eine erhöhte Dosis an Leichtigkeit im Leben. Also echte Leichtigkeit, nicht diese eingebildete Leichtigkeit, die man sich mittels automatischem Garagentor gekauft hat. Nein, davon ist nicht die Rede, bzw. Denke, es geht um diese Leichtigkeit, die man spüren kann, wenn man sich selbst entspricht. Wenn man das, was man aus eigener Motivation heraus denkt auch tun kann. Wenn der Tag anfängt und man ein Lächeln im Gesicht hat, das echt ist und nicht den Kollegen im Büro zeigen soll, dass man gestern wieder Sex hatte, obwohl man gar keinen hatte. Dieses Gesicht kann man mittlerweile gut nachmachen und man wird bewundert dafür. Die anderen denken: "geil, erfüllte Freizeit", man selbst denkt "noch drei Sekunden weiterlächeln und ich muss weinen ..." Ja, so ist das.
Da hat man jetzt also sein Leben der Sorglosigkeit geopfert und ist doch so voller Sorge, dass es so leer bleibt, wie es jetzt gerade ist, dieses Leben. Die Spardose schön voll, das Leben schön leer. Dann wünscht man sich, man hätte die Fähigkeit eine Zeitmaschine zu besteigen und an den Punkt zurückzufahren, wo man sich gegen die Spannung und für die Sicherheit entschieden hat. Man bedauert sich selbst und das dauert an, fast die ganze Nacht bedauert man sich, macht sich zwischendurch Sorgen, dass man morgen ganz müde in der Arbeit sein wird. Schämt sich dann dafür, weil das doch endlich mal egal sein soll.
Aber es fehlt einem an Mut, seine Ruhekissen zu verlassen, ein anderes Leben anzufangen, jetzt wo man in der Mitte des Lebens in einem riesigen Bett liegt und die Heizung ist an. Irgendwo schlummern vielleicht Haustiere und Kinder, beide hat man sich aus irgendeinem Egoismus heraus angeschafft, den man jetzt im Moment gerade gar nicht versteht. Man möchte alleine sein, nur um den Gedanken Klarheit zu geben, ist aber umzingelt von Verpflichtungen, die ein dichtes Dickicht bilden und man selbst ist zu schwach dagegen eine axtführende Hand zu erheben
Hat das Leben einen übergangen? Oder weiträumig umfahren? Lebt man daneben, also neben dem Leben? Man sitzt jetzt da, in seiner sicheren Burg und es macht Spaß auf die zu zeigen, die keine Burg haben. Aber da ist auch immer diese Angst, dass diese Leute irgendwann die eigene Burg stürmen und man schreibt Überwachungskamera und Gebäudeversicherung auf seine Do-To-List. Und dann wartet der Mensch und wartet und wartet, vielleicht kommt das Glück ja doch noch vorbei, aber es traut sich scheinbar nicht an der Überwachungskamera vorbei.
Man kann nicht über das Leben schreiben, ohne Erwähnung des Glücks. Geht nicht. Was wäre das für ein trister Text? Wir sind ja hier nicht in einem Dirk Bernemann Text aus dem Jahr 2005 oder so. Man kann verdammt nochmal selbst entscheiden.
Dirk Bernemann
Und jetzt: Man selbst in Gegenwart des Menschen, der es sich in der Gegenwart eingerichtet hat. Die Gegenwart ist sein Apartment, welches er mittlerweile fast abbezahlt hat. Demnach gehört sie also ihm, diese Gegenwart. Besitzansprüche sind für ihn was Gutes. Sie mehren die Sicherheit. Besitz lässt ruhiger schlafen, denn manchmal denkt der Mensch an die Unsicherheit, die ihm zuweilen medial suggeriert wird. Da draußen hat es Neider mit wenig oder gar ohne Besitz. Aber die hatten doch auch die gleichen Startmöglichkeiten denkt sich der in Sicherheit lebende Mensch, die haben nur den Startschuss etwas zu spät gehört oder hatten sehr früh im Verlauf des Rennens einen Ellenbogen im Gesicht. So ein Pech aber auch. Aber es herrscht ja Gerechtigkeit im Land und so wird jedem, der unten liegt wieder aufgeholfen, der Sozialstaat reicht dir seine zitternden Hände und immer häufiger ballt er mindestens eine zur Faust.
Das, was heutzutage der Status des sich in Sicherheit wiegenden Menschen ist, hat er früher Lebensziel genannt. Ziele zu haben, war für ihn immer wichtig. Leute ohne Ziele fand er immer suspekt, genauso wie Leute ohne Arbeit oder Leute ohne Partner oder Leute ohne andere Leute um sich rum. Früher, als er noch bis oben hin mit Energie zugetankt war, Energie, die man ihm in den Augen ansah, wenn er einen Raum betrat. Irgendwie hatte der Mensch immer das Gefühl, ihn würden auf Schritt und Tritt Fanfaren begleiten. Er hat sich auch gedacht, dass sein Leben es wert wäre, von Fanfaren begleitet zu werden. Tätärätätätä, hier kommt der gute Mensch in die Bar, ins Wohnzimmer von irgendwem, um eine Sitzparty zu feiern, ins Fitnessstudio zur Maximierung eines optisch anregenden Bizeps, ins Restaurant, um zu essen, was zu essen ist und sogar am Arbeitsplatz würde ihn würdevolle Musik begleiten, wenn es denn die Aufgabe von irgendwem wäre, Menschenleben mit Musik zu beschallen. Und am Arbeitsplatz wird verdrängt. Erstens: irgendein imaginärer Konkurrent. Zweitens: Die Skepsis, dass dieser Arbeitsplatz nicht der wichtigste Arbeitsplatz der Welt ist.
Jetzt ist da aber diese Bequemlichkeit. Die Couch, ein Partner, der Kartoffelsalat. Auf dem Abstellgleis abhängen. Da kommt eine Langeweile ins Leben gedröhnt, die man früher gar nicht kannte, als man noch des Ziele haben wegens angespannt war. Und plötzlich wird ihm, dem abhängenden Menschen, bewusst, dass die Zukunft bloß die Verlängerung der Gegenwart ist, die man jetzt in seiner Selbstgefälligkeit hinzunehmen hat. Alles ist irgendwie respektabel, durchschnittlich und alltagstauglich. Jeder Gedanke, den er denkt ist durchtränkt von dieser alltagstauglichen, respektablen Durchschnittlichkeit. Und schmeckt ein wenig nach Antidepressiva und riecht nach Allzweckreiniger. Ideen und Ideale hat der Mensch angepasst. Angepasst an das was alle wollen. Beispielsweise alle zwei Jahre ein Deutschlandtrikot anziehen, als sei man selbst von irgendeinem Bundestrainer in der Kader berufen worden.
Aber in diesen stillen Momenten, wenn man in der Nacht spürt, dass man ein Heißgetränk aus dem Kaffeevollauotomaten zu viel hatte und die Gedanken deswegen rasen und man plötzlich aus dem eigenen Mittelpunkt heraus gerät und bemerkt, dass man seine Ideen und Ideale zugunsten eines Lebens aufgegeben hat, dass mehr Langeweile suggeriert als jeder handelsübliche Tatort, den man ganz innen in sich drin ja auch langweilig findet, aber nur über seine Relevanz spricht, weil die anderen es auch tun. Und sie, die anderen, die sind halt so ein Maßstab für einen selbst geworden, denn ein aus der Rolle und Reihe fallendes Ding will man ab einem bestimmten Alter ja nicht mehr sein. Und zwischendurch denkt man an Jugendträume, Abenteuer, Vollkommenheit, Weltreisen, romantische Liebe und zieht sich dann die Decke der Konformität bis zum Hals. Ist froh eine Heizung zu haben und ansonsten an nichts mehr beteiligt sein zu müssen, was irgendwie anstössig wäre.
Aber das Bewusstsein martert einen weiter. Der Mensch mit zu viel brasilianischen Ökokaffee in der Blutbahn muss sich mit seinen Gefühlen beschäftigen. Ihm wird bewusst, dass das Leben ein Buffet ist, er sich selbst aber nur ein einziges Mal den Teller vollgepackt hat. Und jetzt steht man da, da kommt so ein Hunger und es lungern ein paar Krümmel auf dem Teller und man hat noch den Geschmack im Mund, wie sich so ein Leben mal angefühlt hat, als noch alles offen war. Irgendwann hat man durch ein paar Entscheidungen ein paar Türen geschlossen, deren Geschlossenheit man sich jetzt nicht zu bedauern traut, weil man dann sein ganzes Restleben in Frage stellen würde.
Man hat das Geld verfolgt. Wie ein Irrer. Cents in Spardosen gestopft und seine Kinder instruiert, es einem gleich zu tun. Während man jetzt hier liegt, wünscht man sich zuweilen eine etwas leichtere Spardose und dafür eine erhöhte Dosis an Leichtigkeit im Leben. Also echte Leichtigkeit, nicht diese eingebildete Leichtigkeit, die man sich mittels automatischem Garagentor gekauft hat. Nein, davon ist nicht die Rede, bzw. Denke, es geht um diese Leichtigkeit, die man spüren kann, wenn man sich selbst entspricht. Wenn man das, was man aus eigener Motivation heraus denkt auch tun kann. Wenn der Tag anfängt und man ein Lächeln im Gesicht hat, das echt ist und nicht den Kollegen im Büro zeigen soll, dass man gestern wieder Sex hatte, obwohl man gar keinen hatte. Dieses Gesicht kann man mittlerweile gut nachmachen und man wird bewundert dafür. Die anderen denken: "geil, erfüllte Freizeit", man selbst denkt "noch drei Sekunden weiterlächeln und ich muss weinen ..." Ja, so ist das.
Da hat man jetzt also sein Leben der Sorglosigkeit geopfert und ist doch so voller Sorge, dass es so leer bleibt, wie es jetzt gerade ist, dieses Leben. Die Spardose schön voll, das Leben schön leer. Dann wünscht man sich, man hätte die Fähigkeit eine Zeitmaschine zu besteigen und an den Punkt zurückzufahren, wo man sich gegen die Spannung und für die Sicherheit entschieden hat. Man bedauert sich selbst und das dauert an, fast die ganze Nacht bedauert man sich, macht sich zwischendurch Sorgen, dass man morgen ganz müde in der Arbeit sein wird. Schämt sich dann dafür, weil das doch endlich mal egal sein soll.
Aber es fehlt einem an Mut, seine Ruhekissen zu verlassen, ein anderes Leben anzufangen, jetzt wo man in der Mitte des Lebens in einem riesigen Bett liegt und die Heizung ist an. Irgendwo schlummern vielleicht Haustiere und Kinder, beide hat man sich aus irgendeinem Egoismus heraus angeschafft, den man jetzt im Moment gerade gar nicht versteht. Man möchte alleine sein, nur um den Gedanken Klarheit zu geben, ist aber umzingelt von Verpflichtungen, die ein dichtes Dickicht bilden und man selbst ist zu schwach dagegen eine axtführende Hand zu erheben
Hat das Leben einen übergangen? Oder weiträumig umfahren? Lebt man daneben, also neben dem Leben? Man sitzt jetzt da, in seiner sicheren Burg und es macht Spaß auf die zu zeigen, die keine Burg haben. Aber da ist auch immer diese Angst, dass diese Leute irgendwann die eigene Burg stürmen und man schreibt Überwachungskamera und Gebäudeversicherung auf seine Do-To-List. Und dann wartet der Mensch und wartet und wartet, vielleicht kommt das Glück ja doch noch vorbei, aber es traut sich scheinbar nicht an der Überwachungskamera vorbei.
Man kann nicht über das Leben schreiben, ohne Erwähnung des Glücks. Geht nicht. Was wäre das für ein trister Text? Wir sind ja hier nicht in einem Dirk Bernemann Text aus dem Jahr 2005 oder so. Man kann verdammt nochmal selbst entscheiden.
Dirk Bernemann