Sprüche & Zitate
Samstag, 13. September 2014
Das Ganze
Samstag, 13. September 2014, 00:37
Im Taumel war ein Teil, ein Teil in Tränen,
in manchen Stunden war ein Schein und mehr,
in diesen Jahren war das Herz, in jenen
waren die Stürme - wessen Stürme - wer? 

Niemals im Glücke, selten mit Begleiter,
meistens verschleiert, da es tief geschah,
und alle Ströme liefen wachsend weiter
und alles Außen ward nur innen nah. 

Der sah dich hart, der andre sah dich milder,
der wie es ordnet, der wie es zerstört,
doch was sie sahn, das waren halbe Bilder,
da dir das Ganze nur allein gehört. 

Im Anfang war es heller, was du wolltest
und zielte vor und war dem Glauben nah,
doch als du dann erblicktest, was du wolltest,
was auf das Ganze steinern niedersah, 

da war es kaum ein Glanz und kaum ein Feuer,
in dem dein Blick, der letzte, sich verfing:
ein nacktes Haupt, in Blut, ein Ungeheuer,
an dessen Wimper eine Träne hing. 


Gottfried Benn

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Sonntag, 22. Juni 2014
Was nie geschah
Sonntag, 22. Juni 2014, 23:57
Bei jeder Begegnung
schaust du mich lange an
und schweigst.
Ich kenne deine Gedanken,
doch ist uns das, was ist
und wie es ist, zu heilig,
es auch nur zu berühren.
Jeder von uns geht seinen Weg
und träumt von dem,
was nie geschah.


Annegret Kronenberg

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Donnerstag, 19. Juni 2014
Spiegel
Donnerstag, 19. Juni 2014, 22:32
Wie die Tränen schwarz verwunschener Kinder,
schreit der Wind mir hinterher,
verbrennt mich im düsteren Flammenmeer.
Wie ein ekelhaft brüllendes Echo,
benebeln mich deine Schläge.
Alles verdreht der Spiegel,
selbst die Tränen eisenschwarz.
Der Schmerz spült mir das heiße Blut aus dem Mund,
scharfe Splitter zerschneiden wütend mein Gesicht
und schmücken es mit dunkelroten Striemen,
durch die du noch dein Messer ziehst.
In meinem Erbrochenen schneide ich die Wunden
immer tiefer in meine Seele
und der Spiegel lacht mich aus,
während ich sterbe...
wie du.


Elisa Eyle

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Montag, 2. Juni 2014
Ich bin ein Stern
Montag, 2. Juni 2014, 01:21
Ich bin ein Stern am Firmament,
Der die Welt betrachtet, die Welt verachtet,
Und in der eignen Glut verbrennt.

Ich bin das Meer, das nächtens stürmt,
Das klagende Meer, das opferschwer
Zu alten Sünden neue türmt.

Ich bin von Eurer Welt verbannt
Vom Stolz erzogen, vom Stolz belogen,
Ich bin ein König ohne Land.

Ich bin die stumme Leidenschaft,
Im Haus ohne Herd, im Krieg ohne Schwert,
Und krank an meiner eignen Kraft.


Herrmann Hesse

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Mittwoch, 16. April 2014
Vertrauen
Mittwoch, 16. April 2014, 00:36
Misstraust Du jedem,
Misstraust Du Dir.
Misstraust Du mir,
Misstraust Du zuviel.

Vertraust Du mir,
Vertrau ich Dir.
Vertrau auf Vorschuss,
Vertrau dem Gespür.

Vertrauen ist wertvoll,
Vertrauen ist rein.
Vertrauen ist ehrlich,
Vertrauen macht frei.


Daniel Bergemann

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Samstag, 29. März 2014
Eingerahmte Augenblicke
Samstag, 29. März 2014, 00:06
Meine Gedanken 
sind wie Fenster
in eine andere Zeit
Sie wirken im
Licht der Sprossen wie
eingerahmte Augenblicke 
und drängen nach 
sichtbarer Veränderung

Der Blick versinkt 
im Raum von Leere.
Im Kaffeesatz 
ertrinken Bilder
die den Schlaf 
der Zukunft rauben,
und die Gegenwart 
gebündelt ertragen.

Zeit, die nur noch
als Geschenk gefühlt,
wirft der Seele Schatten, 
der Geist stiehlt sich, mit 
Panik im Gepäck, von dannen -
die Zeit bleibt 
in meinem Zimmer
mit Allem! 


Viola Otto

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Donnerstag, 2. Januar 2014
Sachliche Romanze
Donnerstag, 2. Januar 2014, 23:50
Als sie einander acht Jahre kannten
(und man darf sagen: sie kannten sich gut)
kam ihre Liebe plötzlich abhanden.
Wie andern Leuten ein Stock oder Hut.

Sie waren traurig, betrugen sich heiter,
versuchten Küsse, als ob nichts sei,
und sahen sich an und wussten nicht weiter.
Da weinte sie schließlich. Und er stand dabei.

Vom Fenster aus konnte man Schiffen winken.
Er sagte, es wäre schon Viertel nach vier
und Zeit, irgendwo Kaffee zu trinken.
Nebenan übte ein Mensch Klavier.

Sie gingen ins kleinste Café am Ort
und rührten in ihren Tassen.
Am Abend saßen sie immer noch dort.
Sie saßen allein, und sprachen kein Wort
und konnten es einfach nicht fassen.

Erich Kästner

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Donnerstag, 7. November 2013
Gefallener Engel
Donnerstag, 7. November 2013, 19:23
Eine Fußspur im Sand, vom Mondlicht erhellt,
weiße Federn, vom Wind sanft getragen.
Ein Engel, verbannt aus seiner Welt,
verflucht und mit Schande geschlagen.

Er stürzte nieder, vom Himmel herab,
seine Flügel gebrochen, doch auch sein Stolz.
Das Urteil scheint gleich dem Stoß in sein Grab,
verirrt in der Nacht, schwarz wie Ebenholz.

Das Versäumnis, zu beschützen sein Erdenkind,
war der Fehler, den er begangen.
Er wollt´ leben, wollt´ sein, wie die Menschen sind -
hat sich im Lügennetz verfangen.

Seiner Flügel beraubt steht er nun am Strand,
verängstigt, umgeben von Dunkelheit.
Kein erbarmendes Wort, keine schützende Hand,
die ihn erlöst aus seiner Einsamkeit.

Von stummen Tränen benetzt das Gesicht,
sieht er auf in die himmlische Ferne.
Der Engel sehnt sich nach einem Licht,
doch graue Wolken vertrieben die Sterne.

Er sinkt auf die Knie, von Verzweiflung geplagt,
ein Schrei entflieht seiner Kehle.
Die gebrochenen Flügel berührt er verzagt,
mit ihnen zerbrach seine Seele.

Der Engel vermißt sein himmlisches Leben,
die Gefährten, geflügelt wie er es einst war.
Im Herzen wünscht er, sie würden vergeben
das Unglück, das durch seine Fehler geschah.

Tief im Inn´ren spürt er brennen die Qual -
das Urteil verbannt ihn zu irdischem Sein.
Doch kann er ertragen jenes Schicksal,
das ihm sein Herz bricht, als sei es aus Stein?

Der gefallene Engel blickt hinaus auf´s Meer,
voller Sehnsucht nach Gnade und Licht.
Ihm wurde genommen jegliche Ehr´ -
doch Nachsicht erwartet er nicht.


Er nimmt kaum wahr den hellen Schein,
der plötzlich erleuchtet die Nacht.
Er sieht nicht, daß jemand anders trifft ein:
der Himmel hat ihm einen Boten gebracht.

Ein Erzengel ist´s, der die Stimme erhebt -
„Nun fühlst du gerechten Schmerz.“
Der gefallene Engel vor Schrecken erbebt,
voll Pein und Haß ist sein Herz.

„Gabriel, Engel der Rache genannt,
der du hast das Urteil gesprochen.
Du bestraftest mich, hast mich verbannt,
doch so hast auch du Recht gebrochen!“

Der weise Blick Gabriels liegt voller Güte
auf dem von Gram vernarbten Gesicht.
„Glaubst du, daß ich mich nicht redlich bemühte,
zu fällen ein Urteil, das Gerechtigkeit entspricht?“

„Ich trieb dich hinaus, zu irdischem Leben,
du bist nicht mehr würdig dem himmlischen Reich.
Doch auch ist mein Auftrag, Gnade zu geben,
drum ist dein Schicksal mir nicht gleich.“

Verbittert lacht der Geächtete auf:
„Was soll es mir nützen, mein Dasein auf Erden?
Da nehme ich lieber den Tod in Kauf!
Du sagst, aus Bestrafung soll Gnade werden?“

Gabriel lächelt verhalten und spricht:
„Hab ich dir auch deine Flügel genommen,
so begrabe deine Hoffnung nicht.
Trotz deiner Fehler bist du sehr weit gekommen.“

In den Worten des Engels klingt gebrochener Mut.
„Ich weiß, daß ich Deinesgleichen unwürdig bin.
Weder für Luzifer noch für Gott bin ich gut -
was hat mein Leben noch für einen Sinn?“

„Mein Urteil war hart, und doch durchdacht,
denn du hast trotz allem meinen Segen.
Obgleich du dem Himmel Verrat gebracht,
kannst du dein eigenes Glück bewegen.“

„Du versprachst, du willst mir Gnade gewähren,
oh Gabriel, sag, was ist dein Gebot?
Wie kann ich der Menschheit Gutes bescheren,
und meine Seele befreien aus ihrer Not?“

„Als Engel auf Erden ist´s deine Pflicht
zu beschützen all jene, die Fehler gemacht.
Sei ihnen Freund, schenk ihnen das Licht,
das erhellt ihren Weg durch die dunkle Nacht.“

Der gefallene Engel hört Gabriels Worte,
neue Hoffnung erwacht in seinem Blick.
Seine Schuld muß er tilgen, hier am irdischen Orte,
nun muß er sich stellen der Güt´ des Geschicks.

„Engel der Gnade, ich werd´ alles geben,
zu bewahren die Menschen vor Unglück und Pein.
Nach Gottes Verzeihen will ich streben,
bis meine Seele von Unrecht ist rein.“

„Solang deine Hoffnung bleibt bestehen,
erhellt auch ein Licht die Dunkelheit.
Drum trau dich, deinen eigenen Weg zu gehen,
glaube an dich, auch in düsterer Zeit.“

Die Worte Gabriels klingen von fern,
als der Erzengel seine Schwingen hebt.
Am Himmelszelt funkelt hell ein Stern,
während Gabriel von dannen schwebt.

Eine Fußspur im Sand, vom Mondlicht erhellt,
weiße Federn, vom Wind sanft getragen.
Hoffnung stirbt nicht: Selbst wenn ein Engel fällt,
muß er nur seinen eigenen Weg wagen.


Viola Huber

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Mittwoch, 2. Oktober 2013
Mittwoch, 2. Oktober 2013, 21:06
Ballade des äußeren Lebens

Und Kinder wachsen auf mit tiefen Augen,
Die von nichts wissen, wachsen auf und sterben,
Und alle Menschen gehen ihre Wege.

Und süße Früchte werden aus den herben
Und fallen nachts wie tote Vögel nieder
Und liegen wenig Tage und verderben.

Und immer weht der Wind, und immer wieder
Vernehmen wir und reden viele Worte
Und spüren Lust und Müdigkeit der Glieder.

Und Straßen laufen durch das Gras, und Orte
Sind da und dort, voll Fackeln, Bäumen, Teichen,
Und drohende, und totenhaft verdorrte . . .

Wozu sind diese aufgebaut? und gleichen
Einander nie? und sind unzählig viele?
Was wechselt Lachen, Weinen und Erbleichen?

Was frommt das alles uns und diese Spiele,
Die wir doch groß und ewig einsam sind
Und wandernd nimmer suchen irgend Ziele?

Was frommt's, dergleichen viel gesehen haben?
Und dennoch sagt der viel, der "Abend" sagt,
Ein Wort, daraus Tiefsinn und Trauer rinnt

Wie schwerer Honig aus den hohlen Waben.


Hugo von Hofmannsthal - Ballade des außeren Lebens

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Montag, 30. September 2013
Neulich
Montag, 30. September 2013, 23:54
hey!
schrie mich
der mann an
auf offener straße
und hatte recht
es lebt sich schlecht
es lebt sich beschissen
den blick auf dem boden
da schleift er durch den dreck
da wird er zerissen
zerfetzt
und zuallerletzt
liegengelassen

manche dinge sind nicht zu fassen
transzendieren den leib
gleiten durch das fleisch
und zerdeppern
allein die seele
oder was es auch ist
das da weh tut

halte mich
fern von solchen geistern
halte mich
fern


http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/578408/neulich

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